Allein mit der KI – Von Isolation, Blasenbildung und dem Austausch mit anderen Menschen

Hausaufgabe: Gibt es mehr Artikel im Netz, die der künstlichen Intelligenz kritisch eingestellt sind? Oder mehr der künstlichen Intelligenz positiv gesinnte Artikel? Der hier ist eher kritisch, doch wie so oft ist der Knackpunkt nicht die Technologie an sich, sondern wie wir Menschen damit umgehen.

Kunst als sozialer Kitt

Wir Menschen erschaffen Kultur: Kunst, Musik, Handwerk, Filme, Poesie, Bücher und vieles mehr. Das ist nicht allein ein Selbstzweck, wir teilen unsere kreativen Leistungen auch gerne mit anderen Menschen. Ein großer Teil des Kulturbetriebs besteht nicht allein daraus, die Kunst zu erschaffen, sondern sie auch zu verbreiten, zu diskutieren, wertzuschätzen, kritisieren. Wir Menschen treten miteinander in einen Dialog, wenn wir uns über Filme, Musik, Bücher, Comics, Videospiele und mehr austauschen. Lernen von anderen, betrachten den Geschmack des Gegenübers abschätzig, oder finden eine verwandte Seele.

Ein Beispiel: Jeder, der Musik liebt, wird es auch lieben, einen anderen Fan derselben Band oder Künstlers zu treffen. Vielleicht bist du auf einer Party, du kennst die meisten Leute hier nicht. Viele davon gehören eher zum Dunstkreis des Freundes, der dich eingeladen hatte; jene Menschen, von denen du hörst oder sie gelegentlich siehst, mit denen du aber nichts zu tun hast. Dann kommt ihr über Musik ins Gespräch und es stellt sich heraus: Einer davon liebt deine Lieblingsband ebenfalls! Sofort stellt sich ein Gefühl der Verbundenheit ein. Man spricht über die Alben, Konzerte, Songs, Anekdoten, vielleicht hat man den Musiker mal getroffen …

Kunst verbindet. Musikliebhaber, Konzertbesucher, auch Kinogänger, Besucher von Ausstellungen können davon berichten. Sie spricht unsere Seele und unser tiefstes Innere an auf eine Weise, wie es oftmals schwer auszudrücken ist. Daher finden wir uns auch sogleich mit jemanden verbunden, der einen ähnlichen Geschmack hat. Wir befinden uns sofort auf einer Wellenlänge.

Kann KI Kunst?

Die KI ist jetzt schon in der Lage, unterschiedliche Arten von Kunst zu erschaffen. Einerseits als Werkzeug, um den menschlichen Künstlern ihr Handwerk zu erleichtern. Andererseits auch ohne menschliches Zutun oder nur durch die Eingabe von Prompts. Das ist an sich erst einmal nichts Schlechtes, und auch die Ergebnisse können durchaus beeindruckend sein. Der Schreiber dieser Zeile kann KI-Bilder nicht mehr sehen, doch verwundert es ihn immer wieder, wie gut KI-gemachte Musik sein kann. Überzeugend echter Gesang, knackige Texte, gute Riffs. Da geht in der Tat was.

Der Autor dieser Zeilen hält es durchaus für denkbar, dass in einigen Jahren viele Menschen zu KI-generierten Playlists greifen werden. Vor allem jene, die keine hohen Ansprüche und generell kein großes Interesse an Musik legen. Der KI wird dann einfach gesagt, spiel mal was Entspanntes. Vielleicht was Jazziges. Und dann dudelt etwas im Hintergrund vor sich hin.

Auch daran ist erst einmal nichts Verwerfliches. Viele schalten dafür das Radio ein. Oder sie lassen einfach Spotify laufen, irgendeine Playlist ohne wirkliches Interesse an der eigentlichen Musik. Schlicht Noise.

Blasenbildung in der Zukunft

Der Algorithmus und der Schöpfer der KI werden alles daran setzen, dass die Musik dir so gut wie möglich gefällt. Genau auf deinen Geschmack abgestimmt, auf deine Stimmung, auf die Uhrzeit, eventuell auf deine Gehirnwellen, deine innere Chemie. Sie wird perfekt zu dir passen und in erster Linie nur für dich existieren.

Künstliche Intelligenz kann im Moment Musik (und andere Kunst) erschaffen, die einzig allein für dich bestimmt ist. Und das sondert dich von anderen Menschen ab. Denn der andere wird ebenfalls perfekt auf ihn abgestimmte Musik hören. Wie soll er sich mit anderen Menschen darüber unterhalten? Sicherlich wird sich die Playlist mit anderen Menschen teilen lassen. Doch wieso sollten sie daran interessiert sein?

Eine Playlist hat nicht denselben Sog, nicht denselben sozialen Kit wie eine Band oder ein Künstler. Sie schafft nicht dieselben Geschichten, schafft keine Mythen, keinen Gesprächsstoff. Eine Playlist ist nicht der verbindende Kit, wie echte Menschen, die Kunst erschaffen. Sie kann nicht dieselbe Verbindung herstellen, wie eine Band es könnte, die man bei einem Konzert erleben kann.

Eventuell könnte künstliche Intelligenz alle Kunst um uns herum schaffen. In unserem eigenen Heim, in virtuellen Welten, in der VR-Brille, durch die wir auf ein verklärtes Bild der Realität blicken. Alles auf das Individuum genau abgestimmt, zu seiner Zufriedenheit bis ins Kleinste kalibriert: Musik, Bilder, Videos, ganze Serien und Filme.

Damit schaffen sich Menschen eine Blase, eine undurchdringliche Hülle aus individualisierter, personalisierte „Kunst“. In dieser Blase sind sie allein, interagieren nicht mit anderen Menschen, tauschen sich nicht mit anderen Menschen über die Kunst aus, welche sie konsumieren, welche Musik sie hören, welche Spiele sie spielen, welche Videos sie schauen.

Es bilden sich eigene Welten, in sich geschlossene Systeme aus künstlich generierter Bespaßung und dem Konsum der Inhalte in Dauerschleife zur Befriedigung der ausgebrannten Dopamin-Rezeptoren …

Eine Dystopie?

Das Konsumieren von Kunst und Kultur mag eine passive Tätigkeit sein. Der Diskurs darum, das Austauschen mit anderen, das Schreiben von Beiträgen und Kommentaren, ja sogar der Streit, das allerdings sind aktive Tätigkeiten. Diese Tätigkeiten umfassen eine aktive Auseinandersetzung mit anderen Menschen und geben uns die Möglichkeit, von anderen zu lernen, andere Blickwinkel einzunehmen und unser Wissen zu erweitern. Manchmal lernen wir auch die Meinung anderer zu hassen. Aber auch das ist zumindest eine Interaktion mit anderen Welten.

Wer jedoch nur in seiner eigenen KI-Welt steckt, dem wird das fehlen. Der wird sich mit niemandem auseinandersetzen, keine anderen Meinungen aushalten, seine eigene Position nicht verteidigen müssen. Überhaupt nicht lernen, sich zu artikulieren. Keine Verbindung mit anderen eingehen, die auf derselben Wellenlänge schwimmen.

Die KI liefert jetzt schon genügend Stoff für Dystopien, auch wenn der Autor dieser Zeilen gegenüber den neuen Technologien größtenteils positiv eingestellt ist. Und er glaubt auch, dass viele Menschen von Menschen gemachte Inhalte weiterhin schätzen werden. Und viele werden sie schätzen lernen. Denn hier findet sich noch immer echte Kreativität und dieses besondere Menschliche, das ein Algorithmus nicht replizieren kann. Dieser Funken Echtheit, Authentizität und auch Fehlerhaftigkeit, die allzu menschlich ist.

(Der Autor dieser Zeilen hörte während des Schreibens dieses Gedankenbreis elektronische Musik, die eventuell von einer KI gemacht wurde. Die Thumbnails der YouTube-Videos stammen auf jeden Fall von einer KI)

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