Isländersagas und Gunlaug

Schlecht beraten bist du, Krieger,

mich um mein Geld zu bringen,

und mit üblen Tricks

den Schwertröter zu täuschen;

und noch etwas wisse: Ich heiße,

– hier könnt ihr es sehen! –

diesen Namen gab man mir schon jung

nicht ohne Grund: Natternzunge.

Die meisten werden die Nibelungen aus der Schule kennen, einige haben sich selber mit nordischen und germanischen Sagen beschäftigt. Was wahrscheinlicher weniger Menschen kennen, sind die Isländersagas. Diese Sagas erzählen von den zumeist norwegischen Siedlern, welche im 9. und 10. Jahrhundert zur Insel im Nordatlantik segelten.

Die Isländersagas handeln von diesen Familien, von ihren Fehden, von gewitzten Skalden, von Wikingern, die zusammen mit Königen auf Raubzügen gehen, von Männern, die sich bis zum Tode um die Hand einer Frau streiten und von den Geächteten, jenen Menschen, die auf den Thingversammlungen zur Acht verdammt wurde und anschließend als vogelfrei gelten. Sie handeln von den ersten Siedlern von Vinland und Grönland oder von einem Isländer, der versucht, einen Eisbären zu verkaufen. Dichtungen und Verse nehmen einen wichtigen Platz ein, größtenteils sind die Sagas jedoch in Prosa gehalten.

Ich dichtete Merkverse über einen Jarl,

nie gab es eine schlechtere Drápa bei den Dänen.

Vierzehn Fehler im Versmaß,

dazu zehn Fehler im Reim;

von hinten nach vorn,

alles stand kopf,

so dichtet der,

der schlecht ist.

Zwar spielen bei den Isländersagas auch Zauberinnen, Trolle, Untote und Flüche eine Rolle, doch kommen hier mythische Wesen und besonders die Götter viel seltener vor als bei anderen germanischen oder nordischen Sagen. Die Geschichten sind deshalb näher am Leben der Menschen, an ihrem Alltag und erzählen mehr von ihrer Lebensweise. Die Sprache ist alltäglicher, näher an der Natur dieser Menschen.

Auf Island bauten sie sich eine einzigartige Gesellschaft auf. Denn die Siedler nahmen sich weder Könige noch Fürsten mit. Für Weltenbauer könnte die frühmittelalterliche Gesellschaft Islands interessant sein. Mit dem „Godentum“ organisierten sich die Isländer selbst, indem sich die Bauern ihre Goden auswählten, welche für die Landesverwaltung zuständig waren und ihre Sachen auf dem Thing vertraten. Passte ihnen der Gode nicht, dann wechselten sie. Eine recht freiheitliche Ordnung, welche sich organisch aus der besonderen Situation der Isländer ergab.

Der Scharfzüngige Halli

Gut ist dies‘ Gula-Thing zu mir,

gar viele Frauen vögeln wir.

Einen Skalden will ich kurz gesondert behandeln. Bei Halli mit dem Beinamen „der Scharfzüngige“ fallen die Verse auch mal derber aus. Es kommt seiner Saga zugute, dass der norwegische König Harald, an dessen Hof Halli dichtet, ebenfalls recht schlagkräftig ist und er seinen stellenweise vulgären Humor zu schätzen weiß.

In einer Passage bewundert Halli die kunstvoll verarbeitete Axt, die an der Seite des Königs baumelt. Hallis Antwort auf die Frage des Königs, von wie vielen Männern er sich durchvögeln lassen würde, um diese Axt zu bekommen, hätte ihn an den meisten anderen Höfen wahrscheinlich den Kopf gekostet.

Gunnlaug Schlagenzunge

Gefolgsmann ist einer,

ein einfach gemeiner;

traut ihm nur nicht,

dem finsteren Wicht.

Den Namen einer meiner Charaktere aus Heilige Bastarde habe ich, zugegebenermaßen, geklaut. In meiner Version war die „Saga von Gunnlaug Schlangenzunge“ die erste Geschichte des Buches, hat aber nicht nur deswegen einen bleiben Eindruck hinterlassen. Auch dieser Gunnlaug ist für seine spitzzüngeligen Versen berüchtigt. Ich drehte die Inspiration um und aus meinem Gunlaug wurde ein Unterhändler und Diplomat, der für seine aufgeschlossene und umgängliche Art geschätzt wird (doch vielleicht hilft auch etwas natürliches Charisma, das er von seinem göttlichen Vater bekommen hatte …).

Nicht nur dieser eine Charakter, auch die in diesem Buch dargestellte Gesellschaft diente als eine von mehreren Quellen für „Heilige Bastarde“. Im Nachhinein muss ich aber einsehen, dass die in „Heilige Bastarde“ porträtierte Gesellschaft noch zu kurz kommt. Vielleicht kann ich das ja in Zukunft ändern. So schnell lässt mich das Land der Merowa nicht los.

Wer in eine interessante Zeit unserer europäischen Geschichte eintauchen möchte, dem kann ich die Isländersagas nur empfehlen.

Quelle: Klaus Bödl: „Isländersagas, Die Neuübersetzung“, Fischer Klassik, Frankfurt am Main 2014

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